Da haben wir es nun also in mühseliger, und ich meine in wirklich mühseliger und kleinschrittiger Arbeit geschafft, dass ich Pipi und Häufchen in den Garten mache. Sogar unterwegs erledige ich meine Geschäfte mittlerweile. Ich bin zudem in der Zwischenzeit selbstbewusst genug geworden, um mich weiter als 12,75 Meter vom Haus zu entfernen. Frauchen ist guter Dinge und voller Hoffnung, dass wir endlich entspannt spazieren gehen können. Da passierte es. Ich schlitterte sozusagen mit 180 Sachen und ungebremst von der Ins-Haus-Kack-Phase in die so genannte Geisterphase.
Geisterphase heißt sie deshalb, weil es ganz plötzlich überall spukt. Glaube ich zumindest. Etwa drei Monate hielt diese Phase an, und so ganz ist das Thema immer noch nicht durch. Sagt Frauchen. Nachdem wir also zwei, drei Wochen nur bis zur nächsten Ecke gekommen waren, kam ganz plötzlich mein großer Tag. Ich habe die Nase in den Wind gehalten, habe selbstbewusst mein Schwänzchen hochgekrempelt und habe es getan: Ich bin um die Ecke gegangen und habe geguckt, ob meine kleine Welt da noch ein bisschen weitergeht. Und tatsächlich! Felder, Wälder, ein Bach, Blumen, Schmetterlinge… *vollübertreib* und… Pferde! Hilfe! Was ist das denn! Nee, nee… da gehe ich nicht dran vorbei. Die sind groß, die schnaufen, die stinken. Die machen mir Angst. Ich gehe lieber wieder zurück. In meinen Garten. Da kann mir nichts passieren. Und da ist immer Party. Super. Immerhin. Etwa 10 Meter weitergekommen. Es wird.
Mehrere Tage hielt meine Angst vor Pferden an. Nichts konnte mich dazu bewegen, die Pferdeweide zu passieren. Es sei denn, Frauchen nahm mich auf den Arm und redete mir gut zu. Aber dazu hätte sie mich erstmal zu fassen kriegen müssen, denn sobald ein Pferd gewiehert hatte, habe ich gebockt wie eine Ziege und habe mit hochkonzentrierter Welpenpower in Richtung Zuhause gezogen. No way. Ab nach Hause. Und so plötzlich, wie meine Panik vor Pferden da war, war sie auch wieder weg. Eines schönen Tages gehe ich um die Ecke, sehe die Pferde, hebe stolz den Kopf und trabe an der Wiese vorbei. Nur ein kurzer Seitenblick auf die Pferde. Ich bin über Nacht ein großes Mädchen geworden.
Ich biege um die nächste Ecke. Was ist das denn??? Die Viecher auf der nächsten Wiese sind ja noch viel fürchterlicher! Und eine Sch***frisur haben die auch noch! Stehen da auf der nächsten Wiese tatsächlich Schottische Hochlandrinder. Nee, nee, nicht mit mir. Ab nach Hause. Ganz großes Hundedrama. So liefen die kommenden zwei Wochen nun immer ab. Pferde: super. Rinder: Keine Chance. Mittlerweile war Frauchen aber zuversichtlich, dass sich die Rinderphase ganz unvermittelt wieder legt. War bei der Pferdephase ja auch so.
Dennoch wollte sie lieber kein Risiko eingehen und irgendwann die 1-km-Runde auch mal beenden. Bevor ich nach der nächsten Linkskurve auch noch Schafe kennen lerne, ist Frauchen ja Fuchs. Wir bogen rechts ab. Und trafen auf einen riesengroßen, schwarzen und megagruseligen Trekkerreifen mitten auf einem Feld. Ich sah den Reifen. Gassi zu Ende. Wieder ab nach Hause. Das total verzweifelte Frauchen wendete sich an die Community. Flehte um Hilfe. Man gab ihr den Tipp, dem kleinen Hundemädchen – also mir – zu beweisen, dass das alles gar nicht böse sei. Das gehe am besten, wenn man die bösen Dinge umarme, streichele und knutsche.
Frauchen, dankbar, dass die Rinderphase schon durch war, ging also beim nächsten Spaziergang todesmutig zu dem Reifen, umarmte ihn, gab ihm einen dicken, fetten Schmatzer mitten aufs Profil und erzählte ihm, dass er ihr allerbester Freund sei. Ich war genauso überrascht darüber wie die Spaziergänger, die gerade um die Ecke bogen. Frauchen empfand einen Anflug von Scham, aber nur kurz. Die meisten Menschen aus unserer Nachbarschaft hielten uns nach dem stundenlangen An-der-Ecke-Stehen in den ersten Wochen sowieso entweder für Spanner, oder nach den Gartenpartys zu Ehren eines Kackhaufens im Garten für anderweitig pervers. Nun das Verhältnis mit dem Trekkerreifen. So what…