Wie ich sprechen lernte


Wie ich sprechen lernte

Ihr habt richtig gelesen. Ich kann sprechen. Jawohl. Mir sprechen beizubringen, war eine Idee von Frauchen, die sich mal wieder vorgenommen hatte, mein niedliches und superschlaues Köpfchen mehr zu fördern. Doch Frauchen sind im Laufe von nur sechs Jahren die Ideen ausgegangen. Ich kann bereits um die fünfzehn lustige Tricks, die ich mittlerweile auch gerne vor Besuch vorführe. Und das sind nicht nur Anfängertricks wie „Pfötchen“ und „Sprich“. Nein, nein, ich kann Sachen, die laut angesehener und erfahrener Hundeexperten eigentlich gar nicht gehen. Frauchen musste mich dabei filmen, sonst hätte man niemals… ich schweife ab. Also, ich kann sehr viele sehr spezielle Kommandos wie „Wie macht Papas Harley?“, „Wer soll ins Tierheim?“, „Guck niedlich!“ und – meine Königsdisziplin – „Guck niedlich mit Schwanz!“, wo ich nicht nur meinen Kopf auf Frauchens Knie lege und die Augenbrauen bis an die Ohrwurzeln hochziehe, sondern auch noch anfange, mit dem Schwanz zu wedeln. Während unser Staubsauger Kira seit drei Jahren erfolglos mit dem Unterschied zwischen „Sitz!“ und „Platz!“ kämpft, habe ich all diese speziellen Tricks jeweils innerhalb weniger Minuten gelernt. Moment mal kurz… nein, Frauchen, ich spreche nicht schlecht über meine Schwester, ich habe nur… jaaahaaa, ich stelle das richtig. Also: *räusper* Meine Schwester kann kein „Sitz!“ und kein „Platz!“, sie kann aber Haustüren aufmachen, Näpfe in die Küche tragen, sie räumt ihr Spielzeug alleine weg, und kann Maulwürfe in Rekordzeit über die Regenbogenbrücke werfen. Sie ist nicht doof. *nochmalräusper*.

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei der Tatsache, dass es im Laufe der Jahre fast unmöglich für mein Frauchen geworden war, mich geistig herauszufordern. Wenn sie Stunde um Stunde das Internet nach Geheimtipps durchschnüffelte, wie man Hunde wie mich sinnvoll beschäftigt, und jede Recherche darauf hinauslief, dass man ein Leckerchen in eine leere Klorolle stecken und die Enden umbiegen sollte, schämte sie sich schon bei dem Gedanken daran, wie ich sie angucken würde, wenn sie mir eine so sinnfrei präparierte Klorolle anbieten würde. 

Es musste etwas Besonderes her. Und das tat sich eher zufällig im Oktober des Jahres 2021 in Form eines Viererpacks selbst besprechbarer Buttons auf. Frauchen war begeistert! Was für eine Idee! Und dann auch noch ein Viererpack zu einem akzeptablen Preis! Vier Buttons, die sie mit vier meiner Grundbedürfnisse – Hunger, Pipi, Schlafen und Spazierengehen – besprechen konnte, und wenn ich etwas möchte, kann ich ihr Bescheid sagen! Sie malte sich aus, wie ich wochenlang üben und lernen würde, wie ich abends ausgepowert von der geistigen Anstrengung wie ein Shrimp eingerollt in meinem Körbchen, also in ihrem Bett liegen und schlafen würde, sie stellte sich vor, wie… ich schweife schon wieder ab. Auf jeden Fall hatte ich ja gewisse Erfahrungen, denn ich habe seit Jahren eine eigene Türklingel, die ich sehr erfolgreich und differenziert benutze. Also war Frauchen zuversichtlich, dass ich den korrekten Umgang mit diesen neuen Geräten irgendwann begreifen würde.       

Für den interessierten Lesenden werde ich hier das Erlernen der ersten vier Buttons akribisch dokumentieren.

31. Oktober 2021, 16:50 Uhr. Die Buttons wurden geliefert, jeder Button wurde mit zwei Batterien versehen, mit einem kurzen Satz besprochen und an strategisch günstigen Plätzen aufgebaut, die ich im Laufe der Wochen mit dem jeweiligen Button in Verbindung bringen sollte. So stand zum Beispiel „Ich habe Hunger!“ ab sofort neben meinem Napf. Frauchen: „Penny, komm mal, ich möchte dir was zeigen!“

31. Oktober 2021, 18:37 Uhr. Frauchen, das war eine schöne Überraschung. Diese vier Knöpfe sind echt lustig und ich hatte fast zwei Stunden superviel Spaß. Und was machen wir jetzt? Frauchen? Frauchen??? Ohnmächtig geworden. Mist, und das vor dem Abendfressi. Pffff…

Ja, so hatte ich die ersten vier Buttons innerhalb von zwei Stunden zu unterscheiden gelernt. Und an die Zweifelnden von euch: Nein, es waren keine Zufallstreffer, ich habe die Bedeutung tatsächlich verstanden und konnte schon nach wenigen Tagen sehr konkret und differenziert damit kommunizieren. So war der erste Gang nach einem langen Gassi zum weißen Button, um zu sagen „Ich habe Hunger!“, und um 13 Uhr, wenn es Zeit fürs Mittagsgassi war, ging ich zum blauen Button und habe gesagt „Ich möchte spazieren gehen!“

Ich war schwer begeistert von meinen Knöpfen, ehrlich. Ich konnte endlich, endlich, endlich in der Sprache meiner Menschen mit ihnen kommunizieren. Das hat die Menschenerziehung um so vieles leichter gemacht! Kein Mit-zusammengekniffenen-Augen-das-Käsebrot-des-Großen-Hypnotisieren mehr, kein Winseln an der Tür, wenn ich mal musste. Ich konnte nun würdevoll mein Bedürfnis mitteilen. Ich blühte auf, war jeden Tag fröhlich und mit Feuereifer bei der Sache. Es lag auf der Hand, was geschah: Schon sechs Wochen später kam ein zweites Set Buttons. Nun kann ich folgende Sachen sagen:

  • „Ich habe Hunger!“
  • „Ich möchte das Keksfangspiel spielen!“ (mein Lieblingsbutton, der oft zum Einsatz kommt)
  • „Ich möchte in mein Prinzessinnenzimmer gehen!“ (wenn das Hundeschutzgitter zur Wendeltreppe geschlossen ist, ich aber im Gästezimmer in der ersten Etage ein Mittagsschläfchen machen möchte)
  • „Ich möchte spazieren gehen!“
  • „Ich möchte geschuppert werden!“ (ich liebe es, wenn man mir den Poppes kratzt, nun kann ich Bescheid sagen, wenn ich das möchte)
  • „Ich möchte, dass du mein Fell bürstest!“ (manchmal juckt es mich, wenn zu viele Haare locker sind)
  • „Ich möchte in dein Bett gehen!“ (19 Uhr, meine Zeit, in der ich gerne in Frauchens Bett gehe, schon mal eine Runde döse, bis sie kommt und mit mir kuschelt)
  • „Ich möchte ein Schnüffelspiel spielen!“ (der steht neben der Box mit den Schnüffelteppichen, mit denen ich sehr gerne spiele)

Der achte war erst spät im Einsatz. Frauchen überlegte lange, was wir als nächstes lernen. Ich hatte ja mal „Ich möchte die Katze fressen!“ in den Raum geworfen, wurde jedoch überstimmt. Die Schnüffelteppiche sind aber auch echt okay. Mittlerweile kombiniere ich die Knöpfe auch sinnvoll. So drücke ich manchmal zuerst „Ich habe Hunger!“ und gehe dann zu dem zweiten Knopf, der dann lautet „Ich möchte das Keksfangspiel spielen!“ Frauchen hat die Buttons mit der Frage „Penny, was möchtest du?“ verknüpft, und ich gehe dann durchs ganze Haus und drücke das, was ich gerade am liebsten haben oder machen möchte.

Ich kenne euch, meine lieben Freunde. Ich weiß, welche Frage euch unter den Nägeln brennt: Was ist mit Kira? Ja, tatsächlich, ihr werdet es nicht glauben, Kira benutzt die Knöpfe mittlerweile auch. Es hat sehr lange gedauert, bis sie verstanden hatte, was es damit auf sich hat. Sie ist die ersten Monate einfach aufgeregt durchs Haus gerannt und hat überall gedrückt in der Hoffnung, dass sie den Button erwischt, der Fressi liefert. Aber auch wenn sie nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, also nicht das schärfste Werkzeug im Kasten, also nicht… jaaaaahaaaaaa… Also, obwohl Kira in der Regel mehr Wiederholungen braucht als ich, hat sich der Zwerg im Laufe der Zeit bei mir abgeschaut, was zu tun ist, und nun kann sie sich schon recht gut bei der Menschenerziehung mit einbringen. Das Gute ist nämlich, dass, wenn eine von uns den Keksfangspiel-Button drückt, wir beide mitspielen dürfen. Also haben Kira und ich uns abgesprochen und drücken nun abwechselnd den Knopf, denn dann… ich schweife schon wieder ab.

Heute… ja heute hat mein Schwesterherz den Vogel abgeschossen. Frauchen hatte gestern einen sehr langen Arbeitstag, und das an einem Samstag. Dass der Wecker auch am sechsten Tag der Woche schon um 5 Uhr klingelte, sind wir alle nicht gewohnt. Besonders Frauchen und der Große konnten es kaum erwarten, am heutigen Sonntag mal so richtig lange auszuschlafen, also mindestens bis 7 Uhr oder so. Wir fanden das ja nicht so gut, denn eigentlich ist 5 Uhr nicht nur die Morgenpipizeit, sondern auch die Nach-dem-Pipi-Kuscheln-unter-der-Bettdecke-Zeit. Und was ist heute? Wir warten. Und warten. Und warten. Ich bin ja bei so schwerwiegenden Problemen eher ein defensiver Hund, der abwartet, ob sich das Problem vielleicht von alleine löst. Aber nicht Kira. Die fasste sich um 06:40 Uhr ein Herz und haute mit Schmackes auf den Button neben dem Hundegitter des elterlichen Schlafzimmers. „ICH MÖCHTE IN DEIN BETT GEHEN!“ schrillte es in die frühmorgendlichen Stille hinein. Frauchen und der Große saßen innerhalb von drei Nanosekunden aufrecht im Bett. Aber gut, wenn ihr schon mal wach seid, können wir ja auch gleich kuscheln kommen. High Five, Kira! Da fällt mir ein… heißt das bei Hunden eigentlich auch High Five? Zählt die Wolfkralle mit? Oder ist es eigentlich nur ein High Four? Ich schweife schon wieder ab.  

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