Der erste Tag mit Penny zu Hause



Nachdem Pennys Adoption nun also beschlossene Sache war, musste ich noch drei Tage warten, bis sie endlich bei uns einziehen konnte. Es waren wohl die längsten drei Tage meines Lebens. Es war ein bisschen so, als wenn man zum ersten Mal Mutter würde: Diese Vorfreude, sich um dieses zauberhafte Wesen kümmern zu dürfen! Diese Spannung, den neuen Alltag mit der kleinen Maus zusammen kennen zu lernen, ihr das neue Zuhause zu zeigen. Und gleichzeitig auch ein bisschen Angst davor, ob man auch alles richtig macht. Wir hatten ja keine Erfahrung mit Welpen! Aber wir haben viel gehört, viel gelesen, viele Tipps aus der Community bekommen. Alle haben uns darin bestärkt, dass wir das schaffen werden.

Pennys Ankunft im neuen Zuhause

Als Penny nun an einem Mittwochabend ankam, war sie natürlich erst einmal ein bisschen verschüchtert. Die Pflegemama war weg, ihre gewohnte Umgebung war weg, sie war mit fast fremden Menschen zusammen. Alles war anders. Ach, die arme Kleine! Wir haben sie weitgehend in Ruhe gelassen, haben sie ganz viel gestreichelt und mit ihr und ihrem Bällchen gespielt, sie hat ein schönes Abendessen bekommen. Dann war es auch schon Zeit zum Schlafen, denn am nächsten Morgen mussten wir früh aufstehen. Der Wecker sollte schon um 05:20 Uhr klingeln. Ich hatte zwar ein paar Tage Urlaub genommen, aber mein Mann musste zur Arbeit. Der Glückliche, wie ich bald darauf wusste.

Wie ich schon schrieb: Wir haben viel gelesen über Welpenerziehung. Was wohl ganz wichtig ist, ist, dass Welpen ganz viel Schlaf brauchen. Offensichtlich nicht dieser Welpe. Mein Mann hatte beschlossen, dass die Kleine in der ersten Nacht bei uns im Bett schlafen dürfe. Ausnahmsweise. Weil sie doch so klein und so einsam und überhaupt einfach zum Fressen süß war. Und weil er sich vermutlich ein bisschen gebauchpinselt gefühlt hat, dass diese 5 kg Hund nur auf seiner breiten Brust richtig einschlafen konnten. Zu dieser Ausnahme gibt es später noch einen eigenen Beitrag.

Zurück zum Thema. Da Penny nun bei uns im Bett geschlafen hatte, haben wir im wahrsten Sinne des Wortes hautnah mitbekommen, dass für sie die Nacht um kurz nach vier zu Ende war. Als der Wecker klingelte, waren wir alle schon eine gute Stunde wach. Penny tobte im Bett herum, brachte ihren Ball, kletterte auf uns herum, leckte uns abwechselnd Gesicht, Hände und Füße. Sie war nicht zum Weiterschlafen zu bewegen.

Etwas übermüdet fuhr mein Mann um kurz nach sechs zur Arbeit, um Viertel nach sechs dann das erste Drama. Ich war nur einmal kurz auf dem Klo, da quiekte Penny das erste Mal ganz fürchterlich. Meine Nachttischschublade stand einen Spalt weit offen, sie wollte reinschauen und hat sich dabei die Pfote geklemmt. Ich habe sie auf den Arm genommen, wollte das Aua wegpusten, aber sie strampelte und wollte runter. Sie hatte die großen Grünpflanzen auf dem Esszimmerboden entdeckt und fing an, sie auszugraben. Ich hatte ganz ruhig nein gesagt, Penny weggesetzt und die Blumen hochgestellt. Ich musste einen Handfeger aus dem Keller holen. Als ich wieder hochkam, lag sie lieb auf dem Teppich… und kaute irgendwas. Es knirschte furchtbar. Sie hatte sich Kieselsteinchen, die dekorativ in einer Schale lagen, herausgeholt… und gefressen. Wieder nein gesagt, die Schale mit den verbleibenden Steinchen weggestellt. Als ich im Keller war, um den Handfeger wieder wegzubringen, knallte es plötzlich laut und es war mit einem Schlag dunkel. Licht aus, alles aus. Kein Strom mehr. Verdammt, auch das noch! Stromausfall! Nein, offensichtlich nicht. Die ganze Straße war hell erleuchtet, nur bei uns war es dunkel. Ich habe ein Feuerzeug gesucht und wollte nach dem Stromkasten schauen, da hörte ich Penny bitterlich weinen. Sie war mittlerweile wieder im Schlafzimmer, das konnte ich hören. Doch sie war fast ganz schwarz und nur eine Handvoll Hund. Sie war im Dunkeln wirklich schwer zu finden. Aber halt! Ich hatte ja das Feuerzeug! Ganz kurz konnte ich sie sehen, aber nicht mit einer Hand greifen, weil sie sich versteckte. Sie hatte Angst vor dem Feuerzeug. Ohne Feuerzeug aber keine Chance, sie zu finden. Also habe ich sie vorerst im Schlafzimmer sitzen lassen und bin wieder – diesmal mit Smartphone und Feuerzeug bewaffnet – in den Keller gegangen, um zusammen mit meinem Mann am Handy den FI-Schalter zu finden. Währenddessen habe ich laut und beruhigend mit Penny gesprochen. Sie hat ebenso laut dagegen an geheult. Mein Mann war noch keine Dreiviertelstunde weg und ich hatte die vierte Krise. Ich sah in dem Moment schon keine realistische Chance mehr, dass alle Beteiligten seine Rückkehr am Abend unbeschadet erleben werden.

Ich habe den FI-Schalter wieder eingeschaltet, er sprang aber sofort wieder raus. Das sah nach einem größeren Problem aus. Zwischendurch bin ich wieder zu Penny gegangen, die sich vor Angst unter meiner Bettdecke versteckt hatte. Und im Schein meines Smartphone-Displays sah ich dann, dass sie es irgendwie geschafft hatte, das Wasserglas auf meinem Nachttisch umzukippen. Das Wasser war direkt in eine Mehrfachsteckdose gelaufen. Als ich diese vom Stromnetz genommen hatte, blieb auch der Schutzschalter drin. Wir hatten Licht. Telefon. Fernsehen. Internet! Es war wie im Paradies. Nun wird alles gut, dachte ich. Es kann ja auch nur schwer schlimmer werden. Dachte ich…

Zeit für eine kleine Stärkung. Die hatten Penny und ich uns beide verdient. Ich habe ihr kleines Näpfchen mit Trockenfutter gefüllt und mir einen Joghurt aus dem Kühlschrank geholt. Ich kam aber gerade mal dazu, den Aludeckel abzureißen, denn während ich Penny den Rücken zugedreht hatte, um den Kühlschrank zu öffnen, hatte sie es nicht nur geschafft, den ganzen Napf umzugraben, sondern auch unter die Kommode zu kriechen. Wieder Quieken. Ich musste sie retten.

Eine Krise jagt die nächste

Es war mittlerweile acht Uhr. Immer noch morgens wohlbemerkt. Ich hatte das Gefühl, ich sei seit einer kleinen Ewigkeit auf den Beinen. Wenn ich darüber nachdenke… eigentlich war ich das ja auch. Die nächsten Stunden bis zum Mittag verbrachte ich damit, Penny ständig aus allen möglichen Ritzen zu befreien, sie unentwegt daran zu hindern, sich an Möbelstücken hochzuziehen, ach ja, und Pipipfützen und Häufchen wegzumachen, die sie in fast allen ebenerdigen Räumen hinterlassen hatte. Keine Chance, sie – so wie wir es gelesen hatten – hochzunehmen und rauszutragen, wenn sie signalisiert, dass sie mal muss. Sie ist offensichtlich nicht der Typ fürs Signalisieren. Es war wie in einem Comic, in einem schlechten Comic. Sie sitzt da brav und schaut mich mit großen, braunen Augen an, ich drehte mich kurz um, um mir die Schuhe zuzubinden, und als ich wieder hinschaute, saß sie zwar immer noch genauso da, neben ihr lag jedoch ein Haufen von beachtlicher Größe. Wann genau schläft ein Welpe eigentlich? Wenn sie ihre „bis zu achtzehn Stunden“, von denen in dem schlauen Hundebuch geschrieben stand, heute noch schaffen will, muss sie aber so langsam mal müde werden. Nein. Natürlich nicht. Verdammt, hatte der Typ, der den Welpenratgeber geschrieben hatte, eigentlich schon mal einen eigenen Hund? Ich bekam erste Zweifel.

Es hatte aufgehört zu regnen und Penny entdeckte den schönen Garten für sich. Da hatte ich zum ersten Mal eine Idee davon bekommen, wie unglaublich schlau Penny ist. Mein Mann hatte in den vergangenen drei Tagen seit Pennys erstem Besuch bei uns den Garten ausbruchsicher gemacht. Alle Schlupflöcher waren verschlossen. Durch die Zaunstreben passte sie trotz ihrer noch handlichen Größe zum Glück nicht durch. Dachten wir. Aber das Mäuschen stand am Zaun und scannte alle Streben – bis sie zielgerichtet auf eine Lücke zuging, wo mal ein Auto gegengefahren war und eine fürs menschliche Auge kaum sichtbare Delle hinterlassen hatte. Die Streben standen an dieser Stelle wenige Millimeter weiter auseinander als an anderen Stellen. Und auf der anderen Seite des Zauns lockte eine freundliche Nachbarshündin. Penny hielt die Luft an und quetschte sich durch. Dank des beherzten Eingreifens eines Nachbarn war Pennys erster Tag bei uns nicht auch ihr letzter.

Als wir endlich wieder im Haus waren, mussten wir beide mal ein Geschäft erledigen. Ich im Bad, Penny im Wohnzimmer. Ich hatte mich angesichts der Erfahrungen der letzten rund sechs Stunden nicht mehr getraut, die Badezimmertür hinter mir zuzumachen. Penny kam mit ins Bad und versuchte, hinter mir ins Klo zu klettern. Ich dachte an den Tipp eines bekannten Hundetrainers: „Unerwünschtes Verhalten ist zu ignorieren!“ Schwierige Situation gerade. Und ich kann die Kleine ja auch nicht den ganzen Tag ignorieren… Ich kam nicht wirklich dazu, den Gedanken zu Ende zu denken, denn während ich über das angemessene Verhalten in solchen Momenten sinnierte, hatte Penny die Klorolle für sich entdeckt. Sie stand aufrecht an der Halterung und wickelte die ganze Rolle mit ihren kleinen, flinken Pfötchen ab. Nachdem sie einen Riesenberg Klopapier produziert hatte, schnappte sie sich das Ende und rannte damit durchs ganze Haus. Zum Glück konnte ich mir ein kleines Stück sichern. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich fertig und wieder soweit angezogen war, dass ich schauen konnte, was sie gerade so trieb. Als ich um die Ecke bog und den Flur sah, dachte ich, mich trifft der Schlag. Sie hat es in weniger als zwei Minuten geschafft, das Klopapier zu Konfetti zu verarbeiten. Ich schwankte irgendwo zwischen Nervenzusammenbruch, Hilflosigkeit und Resignation.

Ich hatte das gröbste Chaos mit der Hand zusammengefegt, für den Rest holte ich den Staubsauger aus dem Keller. Ehrlich, ich schwöre: Das Saugen hat insgesamt allerhöchstens drei Minuten gedauert… die für Penny lockerst gereicht haben, um das TV-Kabel in meinem Fitnessraum durchzubeißen. Ich entschied mich für Resignation.

Hilfe ist unterwegs!

Endlich 17:45 Uhr. Endlich kam mein Mann nach Hause. Das Haus sah aus wie ein Schlachtfeld, ich hatte noch meinen Pyjama an, hatte es weder geschafft, mich zu kämmen noch die Zähne zu putzen. Von Kochen reden wir gar nicht erst. Ich drückte Penny meinem Mann in die Hand. Ab jetzt für den Rest des Abends: dein Hund. Ich wollte in die Wanne. Als ich in der Badewanne lag, weinte ich wie ein Schlosshund. Was hatte ich getan? Ich hatte uns Luzifer höchstpersönlich in einem niedlichen Welpenkostüm ins Haus geholt! Das schaffe ich niemals! Never ever. Ich hatte etwa zehn Tage Urlaub zuzüglich drei Tage Resturlaub, die ich mir für dringende Notfälle aufheben wollte. Okay. Jeder wird einsehen, dass das ein ganz dringender Notfall war. Aber in diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob ich jemals wieder werde arbeiten gehen können! Wie mein Chef wohl darauf reagiert? Wer wird meine Aufgaben im Job übernehmen? Ich war ehrlich, ganz ehrlich davon überzeugt, dass ein Ganztagsbürojob mit diesem Hund nicht möglich sei. Ebenso wie Hausarbeit. Körperhygiene. Wir werden unser Leben komplett umstellen müssen. Wir werden die voraussichtlich nächsten fünfzehn bis siebzehn Jahre – Mischlinge sind ja sehr robust – ohne meinen Job finanziell eingeschränkt und zudem ans Haus gefesselt sein. Ich machte im Kopf eine grobe Kostenkalkulation. Ich war fertig mit den Nerven, fertig mit der Welt.

Mein Mann hatte uns zwischenzeitlich etwas zu essen bestellt. Penny sprang ununterbrochen am Tisch hoch, um zu schauen, was da so gut riecht. Das sah schon witzig aus, wie ab und an die Schlappohren über die Tischkante flogen. Ich konnte fast ein bisschen lächeln. Aber nur fast. Da Penny aber nicht ans Essen drankam, kletterte sie mühselig hinter meinem Rücken auf meinen Stuhl, um an meinem Rücken Männchen zu machen und mir über die Schulter auf den Teller zu schauen. Wieder unerwünschtes Verhalten, aber irgendwie machte sich nach einem heißen Bad und vollem Magen auch ein bisschen Stolz darüber breit, wie schlau sie ist! Und wie niedlich! Die traumatischen Erfahrungen des Tages verblassten ein bisschen. Fast wie die vielen Pipipfützen und die Abdrücke der Häufchen auf den Teppichen.

Früh wie selten lagen wir an diesem Abend im Bett, sie lag eingerollt wie ein Kätzchen zwischen uns. Wir haben sie einfach nur angestarrt mit einer Mischung aus Entsetzen, Faszination, Ehrfrucht… und blanker Panik, dass wir sie aus Versehen wecken.

Wer jetzt denkt, meine Darstellung sei hemmungslos übertrieben und in weiten Teilen sogar völlig frei erfunden… Nein. Zu unserem großen Bedauern leider: Nein. Aber ab diesem Tag wurde es mit jedem Tag ein bisschen besser. Der zweite Tag verlief schon ein kleines bisschen ruhiger (was wahrscheinlich in großen Teilen der Tatsache geschuldet war, dass eine liebe Freundin mich auf die grandiose Idee brachte, Murphys alte XXL-Reisebox einfach als Welpenlaufstall zu benutzen. Und schon am vierten Tag brauchten wir die Box nur noch für besondere Anlässe. Da konnte Penny schon bis zu 30 Minuten auf dem Sofa liegen und fernsehen, wenn ich mal schnell duschen oder zum Briefkasten gehen wollte. Diese immense Reizüberflutung der ersten Tage schwächte ab, und mittlerweile ist Penny ein ganz normaler Junghund. Wir sind froh, dass wir sie haben.

Penny hatte übrigens eine leicht andere Wahrnehmung ihres ersten Tages bei uns. Aber lest selbst: Der erste Tag in meinem neuen Zuhause.

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