Kommen wir nun zu einem sehr traurigen Kapitel. Mein erfülltes und behütetes Leben in meiner neuen Familie endete Anfang November 2015 im zarten Alter von nur sechs Monaten auf tragische Weise. Ich wurde gezwungen… *tieflufthol* … mir einen Job zu suchen, weil Frauchen der Meinung war, dass ich fraß wie ein kleiner, bepelzter Scheunendrescher und aus all den schönen Sachen, die zur Unterstützung meiner natürlichen Niedlichkeit angeschafft wurden, schneller rauswuchs, als der Postbote sie bringen konnte. Frauchen und der Große waren nicht mehr bereit, all das alleine zu finanzieren. Ich sollte mich also an meinem Lebensunterhalt beteiligen. Pfffff… Ich war ja anfangs reichlich skeptisch wegen dieser Idee, doch die Menschen blieben hart: Ich war sechs Monate alt und somit alt genug zum Arbeiten. Sachte Frauchen.
Welcher Job kommt für mich in Frage?
Wir haben uns also zu Dritt zusammengesetzt und überlegt, was ich arbeiten könnte. Blindenhund… Das ist ein sehr angesehener Beruf. Aber wir kamen schnell darin überein, dass die jahrelange und teure Ausbildung sich nicht amortisieren würde, denn die Anzahl der sehbehinderten Menschen, die Freude daran haben, fünfmal um eine Laterne zu rennen und dafür zu bezahlen, sei in Deutschland einfach zu gering, als dass sich damit langfristig genug Geld für meinen Unterhalt verdienen ließe. Nächste Idee: Katastrophenschutzhund. Hmmm, der Große meinte, es gebe in unserer Gegend zu wenige Naturkatastrophen, bei denen ich zum Einsatz kommen könnte. Und spätestens bei Schneelawinen, die kalte und feuchte Pfötchen mich sich brächten, hörte der Spaß bei mir sowieso auf. Dann würde ich abhauen und man würde einen Suchhund brauchen, um den Katastrophenschutzhund zu suchen. Den Suchhund würde man uns dann sicher in Rechnung stellen und wir… ich schweife ab. Der Plan wurde verworfen. Drogenspürhund am Flughafen? Nee, da sei die Gefahr zu groß gewesen, dass mich jemand, der schon eine Weile mit mir zusammen arbeitete, „aus Versehen“ in einen Flieger zurück nach Kreta schubste. Sachte Frauchen. Und sachte der Große. Sachten die Nachbarn. Und sachten mir völlig unbekannte Menschen auf der Straße.
Hört mal, wie wäre es mit Überfahrene-Igel-von-der-Straße-Knibblerin? Das kann ich gut, und ich würde trotz meines zarten Alters von nur sechs Monaten schon eine monatelange Berufserfahrung mitbringen. Ich könnte… okay, okay. Es war ja nur ein Vorschlag. Klopapierschreddererin? Hundekekstesterin? Oder ich bewerbe mich bei dieser Casting-Show, die wir neulich gesehen haben: Germanys Next Dog Model. Wer sollte da denn gewinnen, wenn nicht ich? Auch keine gute Idee? Zu unsicher, weil ich eine völlig übertriebene Selbstwahrnehmung habe? Ach so, und echt: Ich müsste dann regelmäßig gebürstet werden und zur Kralliküre? Nee, das mag ich nicht. Das stimmt, Frauchen. Es scheint einfach keinen geeigneten Job für mich zu geben. Das ist ja sch… ade. Bleibe ich halt Vollzeitprinzessin. Apropos, eine kurze Frage ans Personal: Wann genau gibt es eigentlich Abendessen?
Es entscheidet sich wohl zwischen Krankenhaus und Universität
Nach einigem Hin und Her kamen meine Menschen dann überein, dass es vielleicht gar nicht so gut sei, wenn ich den ganzen Tag vom Rudel getrennt sei. Das könnte sich negativ auf unsere Bindung auswirken. Sachte Frauchen. Also haben wir überlegt, ob ich einfach einen der Menschen bei seinem Job unterstütze. Den Großen zum Beispiel… Den ganzen Tag unterm OP-Tisch liegen und darauf warten, dass was runterfällt, hätte mir gefallen. Aber das geht angeblich nicht. Hygiene und so. Das mit der Hygiene hatte er doch schon mal angebracht und innerhalb von Nanosekunden wieder verworfen, als ich meine heutige Familie das erste Mal besucht hatte, erinnert ihr euch? (Da ist sie, unsere Penny!)
Na ja, wenn er mich so gar nicht lieb hat und mich tagsüber gar nicht bei sich haben will, schauen wir mal, wie es bei Frauchen aussieht. Die arbeitet an der Universität. Hmmm, ich bin hochintelligent. Das passt doch schon mal ganz gut. Frauchen hat ein eigenes Büro. Ich habe zwar noch ein kleines Pipi-Problem, aber Frauchens Büro hat einen Linoleumboden. Hört sich vielversprechend an.

Frauchens Arbeitsplatz befindet sich in einem riesigen Schloss, und direkt neben Frauchens Arbeitsplatz gibt es eine riesige Parkanlage mit Wiesen, Blumen, Bäumen, Kaninchen und… okay, wann kann ich anfangen? Gleich nach Frauchens Urlaub nächste Woche? Ist gebongt.
Mein erster Tag an der Universität
So kam es, dass ich in den ersten Novembertagen des Jahres 2015 meinen Job als CHO, als Chief Happiness Officer an einem universitären Sprachenzentrum antrat. Zu meinen Hauptaufgaben zählte es, in einem kuscheligen Körbchen zu liegen, niedlich zu gucken, wenn ich nicht schlafe, und am besten einfach gar nichts zu tun. Gelegentlich bekam ich dabei Unterstützung von Frauchens Kolleginnen und Kollegen, die mich zum Anbeißen fanden und mich demensprechend oft und lange besuchten.

Frauchen freute sich dann immer extrem… auf den Tag im Homeoffice an Freitagen, an dem sie dann endlich die Arbeit von montags bis donnerstags nachholen konnte. Aber insgesamt war Frauchen tatsächlich sehr glücklich, dass mich alle lieb hatten, dass niemand etwas dagegen hatte, dass ich nun bis heute Teil dieses sehr internationalen Teams bin. Ich bekomme super viele Streicheleinheiten, ich bekomme heimlich Leckerchen zugesteckt, man tobt mit mir, ich gehe mehrmals täglich in den tollen Park und lerne da neue Hundefreunde kennen. Und vor allem: Ich muss niemals allein sein. Immer ist jemand bei mir. Mein Leben ist trotz oder gerade wegen meines Jobs perfekt.