Wie schwer die ersten Monate mit den beiden Mädels waren, habe ich ja bereits beschrieben (Kiras zweiter Tag bei uns). Es war so schlimm mit anzusehen, wie sehr Penny darunter litt, dass nun eine zweite Hündin bei uns wohnt. Und dann auch noch so eine! Ich hatte viel gelesen und mich mit anderen erfahrenen Hundebesitzern ausgetauscht. Und wie es so oft ist: Man fragt drei Leute und bekommt vier verschiedene Meinungen. Die einen sagten mir, dass ich unbedingt die Position des Ersthundes stärken und Kira an den letzten Rangplatz des Rudels befördern solle, wo sie als Neuankömmling hingehört. Andere sagten mir, wenn der Zweithund einen höheren Rangplatz einnimmt als der Ersthund und ich mich da einmische, kann das zu immer wiederkehrenden Rangstreitigkeiten führen und die Situation würde sich nie bessern. Beide Ansätze machten für mich Sinn, und ich war verwirrt. Eine Person sagte mir allen Ernstes, ich scheine keinerlei Ahnung von Hunden zu haben, denn sonst wüsste ich ja, dass man niemals, also wirklich niemals nicht zwei Hündinnen zu vergesellschaften versuchen dürfe. Das gehe nie gut. Oh! Das wusste ich in der Tat nicht. Mein Fehler. Der vierte Ansatz, der mir persönlich am besten gefallen hatte, war der, einfach für schöne gemeinsame Erlebnisse zwischen den beiden zu sorgen, zu versuchen, sie genau zu beobachten und ihre Signale zu deuten und ggf. zu intervenieren, wenn Kiri zu anstrengend wird, und ansonsten Penny einfach die Zeit zu lassen, die sie braucht. Irgendwann würde sie es satt haben, alleine im Arbeitszimmer herumzusitzen. So haben wir es gehandhabt. Wir haben tolle Gassirunden gemacht, bei denen wir viel Spannendes erlebt haben. Ich habe den beiden Aufgaben gestellt, die sie nur gemeinsam bewältigen konnten. So habe ich besonders tolle Leckerchen ganz kompliziert versteckt. Penny mit ihrem Talent zum Suchen hat sie gefunden, Kiri mit ihrem Talent zum… *seufz* … ausdauernden Zerstören, hat die Leckerchen aus dem Versteck befreit. Wenn Kiri zu aufdringlich wurde, habe ich Penny Freiraum verschafft, aber Kira hatte auch ihre quality time mit uns, auch wenn es Penny nicht passte. Es tat sich im Zusammenleben jedoch… nichts. Die Wende kam schlagartig mit einem dramatischen Ereignis.
Die dramatische Wendung im Zusammenleben
Penny wurde krank. Sie hat sich wohl den Magen verdorben oder sich einen Infekt eingefangen. Auf jeden Fall erbrach sie eines Abends, und das Erbrechen hörte über Stunden nicht auf. Sie sah furchtbar aus, war schwach und hat gezittert. Alle paar Minuten wollte sie in den Garten, fraß mehr Gras als eine Kuh, um es dann wieder zu erbrechen. Sie jammerte vor Bauchweh trotz der Medikamente, die wir für Notfälle im Haus hatten, und ich war schon drauf und dran, sie einzupacken und in eine Tierklinik zu fahren. Doch dann kam Kiri. Sie begleitete Penny mit gebührendem Abstand nach draußen, wenn sie brechen musste, beobachtete sie ganz genau. Nach dem Brechen hat sie Penny zärtlich die Schnauze abgeleckt und sie wieder ins Schlafzimmer begleitet. Penny durfte, solange es ihr so schlecht ging, bei uns im Bett liegen. Kira legte sich neben sie und legte dann ganz vorsichtig ihren Kopf auf Penny ab, und die Arme war zu erschöpft, um sich zu wehren. Sie ließ es zu. Als das Erbrechen aufgehört hatte, haben wir beide in ihre Körbchen geschickt. Ich habe aber vor lauter Sorge kein Auge zugemacht. Somit habe ich mitbekommen, dass es Kiri wohl genauso ging und sie alle paar Minuten aufstand, um nach Penny zu sehen. Ich war so tief berührt von diesem Verhalten, dass mir bis heute die Tränen kommen, wenn ich daran denke.
Danach ging die Vergesellschaftung steil bergauf. Morgens ging Penny zwar wie gewohnt nach dem Frühstück erst einmal wieder in ihre Höhle unter meinem Schreibtisch, doch abends, als wir alle vor dem Fernseher lagen, schaute sie plötzlich ganz schüchtern um die Ecke. Wir haben so eine Party gefeiert! Das letzte Mal wurde sie so krass gelobt, als sie zum ersten Mal in den Garten statt ins Wohnzimmer gemacht hatte (Stubenreinheit war in Pennys ersten Wochen ein schwieriges Thema bei uns). Als sie da stand und uns scheu anschaute und – vielleicht – bei uns sein wollte, wusste ist, dass alles gut wird, auch wenn es noch ein bisschen dauern wird. Aber nach diesen Ereignissen machten wir jeden Tag gigantische Fortschritte. Seht ihr das Beitragsbild? Das ist rund zwei Wochen nach ihrer Erkrankung entstanden. So ein zärtlicher Kontakt wäre ein paar Wochen vorher noch weniger als nicht denkbar gewesen.
Jetzt haben wir den Salat
Ja, ich war überglücklich über diese Entwicklung. Penny gewöhnte sich zusehends an ihre Schwester und die beiden wurden ein Team. Das war einerseits natürlich super, andererseits jedoch brachte das nun neue Schwierigkeiten mit sich. Für uns. Penny akzeptiert im Gegensatz zu Kiri super Grenzen. Selbst eine nur angelehnte Tür signalisiert Penny, dass sie hier keinen Zutritt hat. Anders Kiri: Tür zu? Muss man sie halt aufmachen. So habe ich mehrmals beobachtet, dass Penny aus dem Esszimmerfenster etwas Spannendes im Garten oder auf der Straße gesehen hatte (Nachbars Katze, nette Spaziergänger), zur Haustür ging und Kiri mit der Nase signalisierte, sie solle mal aufmachen. Kiri geht hin, macht die Tür auf und weg sind die beiden. Unglaublich! Wir mussten die Türklinke an der Haustür hochkant anbringen, um solche Ausflüge wenigstens vorläufig zu unterbinden. Oder ein anderes Beispiel: Wir haben einen Futterautomaten, bei dem man buzzern muss, um die Leckerchen zu bekommen. Penny macht das super, Kiri hatte es lange nicht verstanden. Also hatte Penny so lange für Kira gebuzzert, bis sie satt war und sie es später selbst konnte. Ich war so unsagbar froh, dass es sich so entwickelt hat. Es war die richtige Entscheidung, dass Kiri bei uns eingezogen ist. Für uns sowieso und nun endlich auch für Penny.
Nachtrag von Mai 2021: Mittlerweile sind die beiden dickste Freundinnen, die sogar gelegentlich in einem Körbchen liegen. Sie lieben sich heiß und innig und gehen ohne einander nirgendwo hin. Penny ist in den letzten anderthalb Jahren richtig aufgeblüht, und es geht ihr trotz Leishmaniose richtig gut. Ist Penny da, kann Kira mittlerweile vier, fünf Stunden alleine bleiben, ohne etwas anzufassen. Bei ihrem Einzug ging das keine fünf Minuten. Alles ist gut geworden und wir erleben jeden Tag neue Geschichten mit den beiden Griechinnen.